„Busse voller Hoffnung“ von Gigahertz Ventures

Dresden

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Kurzinfo

Standort:
Dresden

Ansprechpartner:
Stefan Schandera

Kontakt:
Gigahertz Ventures GmbH
Bozener Weg 20, 01069 Dresden
Mobil: +49 171 9200 518

Webseite:
https://www.gigahertz.ventures/bus4ua

Autorin:
Sophie Kolbinger
Kontakt:
ukrainehilfe@buerger-fuer-buerger.de
Fotos:
Stefan Schandera und CFSR

Ankunft der ersten Busse in der Ukraine am 10. März 2022

Beladung der Busse mit Hilfsgütern im Juni 2022

Abfahrt der Busse für Butscha in Dresden

Abfahrt der Busse in Saporischschija im Juli 2022

Flüchtlingslager in Saporischschija

Kinderzeichnungen im Flüchtlingslager in Saporischschija

Busse voller Hoffnung – Von Dresden in die Ukraine

Es ist nicht so leicht, Heldengeschichten über Menschen zu erzählen, die gar keine Helden sein wollen. Wenn man ihre Leidenschaft, ihr Engagement, ihre Aufopferungsbereitschaft, ihre Offenherzigkeit und ihre Freundlichkeit zeigen will, ohne sie dabei auf eine Bühne zu stellen, auf der sie gar nicht stehen wollen. Vielleicht ist ein bisschen Pathos an der einen oder anderen Stelle trotzdem zu verzeihen.

Stefan Schandera ist einer der Geschäftsführer von Gigahertz Ventures, einer kleinen Investmentgesellschaft, die sich insbesondere in den Neuen Bundesländern im Technologiebereich beschäftigt. Gemeinsam mit seinen Mitgesellschaftern Andreas Werner, Sven Sieber und Roger Dorsch hat er das Projekt „Busse voller Hoffnung“ ins Leben gerufen, um Menschen aus umkämpften Gebieten innerhalb der Ukraine in Sicherheit zu bringen – und ihnen Hoffnung zu geben. Das Projekt wurde innerhalb kürzester Zeit auf die Beine gestellt. Bereits am 10. März 2022 – nur zwei Wochen nach Kriegsbeginn – konnten sie die ersten beiden Busse an ihre Partner in der Ukraine übergeben.

Auf der Suche nach dem geeigneten Einsatz

Was aber motiviert ein kleines Unternehmen aus Sachsen dazu, Busse zu kaufen und in die Ukraine zu bringen? Er selbst, erzählt Schandera, habe viele Jahre in Osteuropa für die UNO und für die Weltbank gearbeitet, davon auch viele Jahre in der Ukraine, wodurch bereits viele Kontakte bestanden. Seit Beginn des Krieges kamen Anfragen von überall, was man denn tun könne. Schandera vermittelt den Eindruck, ihm und seinem Team sei bewusst, dass sie als Unternehmer eine Art Verantwortung haben, der sie gerecht werden wollen. „Uns war eigentlich recht schnell klar, dass wir uns auf irgendwas konzentrieren müssen und schauen müssen, wo wir […] mit dem Hintergrund, den wir haben, einen echten Nutzen generieren können.”, erklärt er.

Ohne Spenden geht es nicht

Eine wiederkehrende Anfrage betraf die Bereitstellung von Bussen für Evakuierungen. Die beruflichen Kontakte zu vielen verschiedenen Busbahnhöfen bestanden bereits. Aber über die Corona-Zeit haben sich viele Unternehmen ihrer Busse entledigt. Übrig geblieben waren nur die Auslaufmodelle – kaum tauglich für die Straße, schon gar nicht geeignet, um ein Kriegsgebiet zu evakuieren. An der Idee blieben sie aber hängen. Statt kostenloser schrottreifer Busse brauchte es sehr gut erhaltene und ohne Einschränkungen einsetzbare. Und so kauften sie zwei. Ohne Spenden, ohne finanzielle Unterstützung. Genau die brauchten sie aber schnellstmöglich. Daher begaben sie sich auf die Suche nach Kooperationspartnern, was sich jedoch schwieriger gestaltete als gedacht, denn in den neuen Bundesländern war keine Unterstützung zu finden. Zumindest nicht auf die Weise, die sie gebraucht hätten. Fündig wurden sie trotzdem, wie Schandera berichtet: „Neben uns, bzw. auch der hauptausführende Partner, ist die Organisation CSFR in der Ukraine.” Eine Organisation, die sich erst einige Jahre zuvor gegründet hatte und in der Region Charkiw Bedürftige versorgt hatte. Diese ist eng mit der ICC International Chamber of Commerce verbunden, die ebenfalls einen wichtigen Partner in der Ukraine darstellen. Zudem arbeiten sie mit der NGO Libereco Partnership for Human Rights e.V. aus Köln zusammen. Diese unterstütze sie vor allem im Bereich Spendenabwicklung, „weil wir keine gemeinnützige Organisation sind und gar keine Spenden hätten einwerben können.”, so Schandera.

Ein dynamisches Netzwerk und viele Helfer machen es möglich 

Zu der mühsamen Suche nach Kooperationspartnern kamen die Probleme vor Ort in der Ukraine. Die Frage, wie man überhaupt über die Grenze komme, stand noch im Raum. Der Start war also recht experimentell. Die Lösung fand sich dann in der Form von Projektmanagement by Telegram und Whatsapp”, wie Stefan Schandera es ausdrückt. Sie bauten so ein ganz dynamisches Netzwerk auf, in dem jede Frage innerhalb kürzester Zeit eine Beantwortung fand, mitunter durch Personen, mit denen sie vorher nie ein Wort gesprochen hatten. Die gegenseitige Wertschätzung stand dabei nie in Frage. Besonders wichtig ist Stefan Schandera auch, die Busfahrer zu erwähnen, die vor Ort die eigentliche Arbeit gemacht haben, nämlich die Busse in die Kriegsgebiete zu fahren. Es waren ca. zehn deutsche Busfahrer und noch einmal ungefähr gleich viele auf ukrainischer Seite. Auch die Suche nach ihnen war nicht leicht, aber letztendlich erfolgreich.

Als weitere Herausforderung beschreibt er die bürokratische und juristische Abwicklung in der Ukraine, denn sie merkten recht schnell, dass es nicht damit getan ist, die Busse zu besorgen und rüber zu fahren. Ihre Partnerorganisationen an der Grenze hatten zum Beispiel selbst noch nie einen Bustransport organisiert. Außerdem mussten die Menschen gefunden werden, die Unterstützung bei der Flucht brauchten, weil sie dazu allein körperlich oder finanziell nicht in der Lage waren. All diese Probleme mussten gelöst werden.

Unterhalt der Busse als Herausforderung

Nach den zwei eigenen Bussen folgten also noch mehr: Inzwischen finanziert durch Spenden, befinden sich jetzt neun Busse (zwei von anderen NGOs kommend, einer gespendet von einem Busunternehmer aus dem Saarland) in der Ukraine. Schnell wurde aber auch klar, dass die Bereitstellung der Busse und die Organisation der Übergabe allein nicht ausreicht. Sie können noch so viele Busse heranschaffen, aber das ganze nützt nichts, wenn sie diese nicht unterhalten können. Daher fließen die Spenden inzwischen in die Wartung und die Tankfüllungen, und sind damit mehr als ausgelastet.

Drei der Busse wurden übrigens speziell von der Stadt Butscha angefragt, woraus das Unterprojekt Busse für Butscha” entstand. Der Stadtrat von Dresden hat die Busse gespendet, Gigahertz hat die Übergabe organisiert. Sie sollen insbesondere dem Wiederaufbau dienen, was mittlerweile zum generellen Thema ihrer Arbeit geworden ist. Das ist der Schritt, den das Team langfristig gehen will – und zwar dieses Mal möglichst in Bereichen, in denen es erfahren ist.

Die Zukunft des Projekts soll im Wiederaufbau liegen

Zwischen 3000-4000 Leute wurden durch das Projekt aus umkämpften Gebieten gerettet, viele Tonnen Hilfsgüter wurden geliefert. Was Stefan Schandera gerne weitergeben möchte und tatsächlich auch ausstrahlt, ist Hartnäckigkeit als positives Beispiel darzustellen. Und hier ist er jetzt, der Pathos. Denn was mit „Busse voller Hoffnung” erreicht wurde, zeigt nicht nur Hartnäckigkeit, und ist auch nicht nur beeindruckend und beispielhaft. Das Team hat das Projekt und das dazugehörige Netzwerk so nachhaltig aufgebaut, dass es in der Ukraine schon lange selbständig weiterläuft und „in die Lage versetzt [wurde] auch eigene Mittel einzuwerben”, wie er es beschreibt. Evakuierungen finden ca. alle 14 Tage statt und erreichen die Menschen, die bei ihrer Flucht tatsächlich Unterstützung und Betreuung benötigen. Der CFSR in der Ukraine kümmert sich damit vornehmlich im Rahmen dieses Projekts um die Binnenflüchtlinge.

Gigahertz hat den Grundstein für etwas gelegt, das nun von selbst agieren und handeln kann. Das Netzwerk wird nur aktiviert, wenn es nötig wird. Übrig bleibt der Wunsch von Stefan Schandera, dass ihr Projekt sich in Zukunft auf Hilfe beim Wiederaufbau konzentrieren kann. Aber auch, dass es gerade in den Neuen Bundesländern mehr Unterstützung durch etablierte NGOs für kleinere Projekte gibt, so wie das ihre.

Am Ende des Gesprächs betont Schandera nochmal, wie wichtig es ihm sei, dass die Busfahrer Erwähnung finden. Wahrscheinlich fasst diese Bitte die ganze Haltung des Projekts „Busse voller Hoffnung” am besten zusammen.