„Es braucht keine neuen Leuchtturmprojekte, sondern bessere Zusammenarbeit bestehender Akteure.“

17. Februar 2022

Im Februar konnte die Stiftung Bürger für Bürger in Kooperation mit der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt  die Studie „Engagementförderung in Ostdeutschland“ veröffentlichen. Im Interview erklärt der wissenschaftliche Leiter Dr. Holger Krimmer (ZiviZ im Stifterverband), wo sich westdeutsche und ostdeutsche Bundesländer noch unterscheiden und wie Engagementförderung in Ostdeutschland zukünftig noch nachhaltiger werden kann.

Stiftung Bürger für Bürger: Herr Krimmer, Sie sind der wissenschaftliche Leiter der Studie „Engagementförderung in Ostdeutschland“, die die Stiftung Bürger für Bürger in Kooperation mit der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt seit April 2021 durchgeführt hat. Was war das Ziel der Studie und wo liegen die Schwerpunkte der Forschung?

Dr. Holger Krimmer

Dr. Holger Krimmer

Dr. Holger Krimmer: In einem Satz: Das Ziel der vorliegenden Studie ist das Monitoring und die Analyse von selbstinitiierten und staatlichen Strukturen und Politiken der Engagementförderung auf Bundesländerebene in Ostdeutschland. Denn Engagementförderung ist ein Handlungsfeld, in dem zivilgesellschaftliche Akteure wie Freiwilligenagenturen, Mehrgenerationenhäuser und andere Strukturen neben öffentlichen oder zumindest staatlich gegründeten Institutionen aktiv sind. Das kann gut funktionieren, muss es aber nicht. Zudem kann es je nach Region und Bundesland zu ganz unterschiedlichen räumlichen Abdeckungen mit entsprechenden Einrichtungen kommen. Unsere Studie will hierzu eine verstehende Bestandsaufnahme vornehmen und Impulse für die Weiterentwicklung der Engagementförderung geben.

Stiftung Bürger für Bürger: Die Studie wurde am 15. Februar 2022 veröffentlicht. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse?

Dr. Holger Krimmer: In der Tat zeigt sich je nach Region und Bundesland eine unterschiedliche Dichte des Netzes engagementfördernder Einrichtungen. Die Auswertungen von Stefan Bischoff machen deutlich, wo die größten weißen Flecken sind.  Die Fallstudien zur politischen Engagementförderung der fünf ostdeutschen Bundesländer, die Thomas Gensicke und Birthe Tahmaz erarbeitet haben, machen zudem die Vielfalt unterschiedlicher engagementpolitischer Strategien der einzelnen Bundesländer sichtbar. Und werfen damit die Frage nach der Wirksamkeit, den Vor- und Nachteilen der verschiedenen Politiken auf.

Studie „Engagementförderung in Ostdeutschland“

Die Studie „Engagementförderung in Ostdeutschland“ ist im Februar 2022 erschienen

Stiftung Bürger für Bürger: Inwiefern unterscheiden sich die ostdeutschen Bundesländer im Bereich Engagementförderung überhaupt von den westdeutschen?

Dr. Holger Krimmer: Bei den Unterschieden handelt es sich weniger um eine einzelne, ganz grundlegende als um eine Summe gradueller Differenzen. So ist die regionale Abdeckung mit Freiwilligenagenturen in Ostdeutschland geringer. Engagementförderung findet in anderen zivilgesellschaftlichen Kontexten statt. Der überwiegende Anteil der gemeinnützigen Organisationen in Ostdeutschland wurde erste nach 1989 gegründet. Das bringt auch eine andere verbandliche Aufstellung des gemeinnützigen Sektors, etwa in der freien Wohlfahrtspflege, mit sich.

Stiftung Bürger für Bürger: Was müsste sich ändern, damit Engagementförderung in den ostdeutschen Bundesländern zukünftig noch nachhaltiger wird?

Dr. Holger Krimmer: Um an dieser Stelle nur zwei unserer Empfehlungen aufzugreifen: Mit Blick auf die unterschiedlichen Landespolitiken zeigt sich überwiegend eine verbesserungsfähige Zusammenarbeit von zentralen Maßnahmen und Einrichtungen der Engagementförderung wie den Ehrenamtsstiftungen einerseits und den dezentralen lokalen Strukturen andererseits. Hier braucht es keine neuen Leuchtturmprojekte, sondern bessere Routinen der Zusammenarbeit bereits bestehender Akteure. Zudem schlagen wir vor, die Engagementförderung systematisch in der Raumordnungspolitik zu verankern. Die Förderung und Erhaltung lokaler Selbstorganisationsfähigkeit muss ein politisches Ziel über die Engagementpolitik hinaus werden.

Stiftung Bürger für Bürger: Vielen Dank für das Interview!

Zur Person: Dr. Holger Krimmer ist Mitglied der Geschäftsleitung des Stifterverbandes und Geschäftsführer der ZiviZ gGmbH im Stifterverband. Er ist Mitglied unterschiedlicher Gremien und Netzwerke, u.a. Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Bürger für Bürger, Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des Bündnis für Gemeinnützigkeit und Sprecher der AG Zivilgesellschaftsforschung des Bundesnetzwerkes Bürgerschaftliches Engagement.

Fragen: Sophie Leins