Solidarität mit den Opfern des Anschlags von Halle

16.10.2020

Vor einem Jahr, am 9. Oktober 2019, verübte ein Attentäter in Halle einen schweren Anschlag auf die jüdische Gemeinde und den Kiezdöner. Es ist ein Anschlag auf ein tolerantes, gleichberechtigtes und respektvolles Zusammenleben in unserer Gesellschaft. Gemeinsam mit einem vielfältigen zivilgesellschaftlichen Bündnis haben wir ein Jahr nach dem Anschlag am 9. Oktober 2020 der Opfer und Betroffenen gedacht und mit Bürger*innen aus Halle Solidarität mit Opfern von Rassismus und Antisemitismus gezeigt.

Am 9. Oktober 2020 stand das Gedenken des Anschlags vor einem Jahr im Vordergrund. Gleichermaßen setzte sich aber auch ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis u.a. Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage, der Mobilen Opferberatung, Miteinander e.V., LAMSA, der Initiative 9. Oktober u.v.m. für die gesellschaftliche und politische Bearbeitung der Ursachen von Rassismus, Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit ein. Denn auch ein Jahr nach dem Anschlag in Halle gibt es in Deutschland tagtäglichen Rassismus und Antisemitismus.

An „Orten der Erinnerung und der Solidarität“ lud das Bündnis Passant*innen ein, nicht nur die Live-Übertragung der Landesdemokratiekonferenz und der offiziellen Gedenkfeier gemeinsam mit zu verfolgen, sondern auch selbst aktiv Zeichen für eine tolerante, offene Gesellschaft zu setzen.

Gemeinsam mit dem Landesnetzwerk der Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt (LAMSA) und dem Verband der Migrantenorganisationen Halle (VeMo) riefen wir zu einer Menschenkette für Zusammenhalt und Solidarität aus Straßenkreide auf. Die Kette spannte sich auf den Gehwegen durch die ganze Innenstadt und verband die vielfältigen Orte der Solidarität.

Am Steintor gestaltete u.a. die Stiftung Bürger für Bürger ein Begegnungszelt mit, welches zum Austausch einlud. An den prägnanten Zitaten aus Interviews unseres Projekts JUGENDSTIL* – Teilhabe und Mitgestaltung junger Migrant*innen in Ostdeutschland blieben viele Gäste stehen. Sie enthielten Auszüge aus intensiven Gesprächen mit jungen Menschen mit eigener oder familiärer Migrationsgeschichte, die in Ostdeutschland leben. In Absprache mit ihnen entschieden wir uns dafür, die berichteten Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen im Begegnungszelt zu teilen. Denn diese alltäglichen Ausdrücke der Menschenfeindlichkeit sind es, die nicht geduldet werden dürfen.

Über diese Auszüge unserer Interviews kamen wir nicht nur mit vielen Menschen am Gedenktag ins Gespräch, sondern luden sie auch ein, ihre Gedanken zu diesem Tag festzuhalten und zu teilen. So füllten sich zahlreiche Blätter mit Solidaritätsbekundungen der Opfer und Betroffenen des Anschlags, eigenen Erfahrungsberichten, Sorgen, Ängsten – und Hoffnungen. So spannte sich dieses „stumme Gästebuch“ quer über den Vorplatz des Steintors.

An diesem ersten Gedenktag an den furchtbaren Anschlag wollten wir vor allem jungen, internationalen Menschen mehr Raum für ihre Meinungen geben und so luden wir einige junge Engagierte aus Sachsen-Anhalt zu einem Gespräch mit der Integrationsbeauftragten des Landes Sachsen-Anhalt, Susi Möbbeck, ein. Im Welcome-Treff der Freiwilligen-Agentur Halle sprachen wir über die Relevanz von gesellschaftlichem Engagement; insbesondere aber auch über Hürden im Engagement der Menschen mit eigener oder familiärer Migrationsgeschichte. Die Gesprächsgäste nutzten die Gelegenheit mit der Staatsekretärin ins Gespräch zu kommen, legten den Finger in die Wunde und schmiedeten gleichzeitig schon Ideen für weitere Aktionen. Susi Möbbeck konnte an vielen Stellen strukturelle oder ganz individuelle Unterstützungsangebote aufzeigen.

Die Brücke zwischen gesellschaftlichem Engagement und Politik wurde auch am Abend in einer Gesprächsrunde mit der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Franziska Giffey und zivilgesellschaftlichen Akteuren aus Halle geschlagen, die von Olaf Ebert (Vorstand der Stiftung Bürger für Bürger) moderiert wurde. Hier wurde deutlich, wie wichtig der Ausbau des „Bundesprogramms Demokratie Leben!“ und die gesetzliche Verankerung der Demokratieförderung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist.

Der Gedenktag am 9. Oktober 2020 in Halle zeigte viel Wut und Betroffenheit, gleichzeitig aber auch viel Mut, Solidarität – und ein enges Beisammenstehen der halleschen Stadtgesellschaft. Wir schauen nicht weg, nicht heute, nicht morgen. Demokratieförderung bleibt eine Daueraufgabe im Miteinander von Staat und Zivilgesellschaft!

Weitere Eindrücke finden sich auf dem Instagram-Account des Projekts Jugendstil*- Teilhabe und Mitgestaltung junger Migrant*innen in Ostdeutschland und auf der Digitalen Beteiligungsplattform des Projekts.