

Beim 19. Forum Bürgergesellschaft kamen am 07. und 08. November in Tangermünde Expert:innen aus Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft zusammen.
Wie gelingt es, die Menschen zu demokratischem Engagement zu aktivieren?
Den Auftakt zur Tagung machte die Vorstellung von Ergebnissen einer Studie des ISS zur Aktivierung für Demokratie in strukturschwachen Räumen durch Dr. des. Carlos Becker und Jan Saßmannshausen, vom Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. (ISS) in Frankfurt/M. Im Mittelpunkt stand die Frage: Wie gelingt es, die Menschen zu demokratischem Engagement zu aktivieren?
Hier geht es zur Studie „Aktivierung für Demokratie in strukturschwachen Räumen“.
Zentrale Schlussfolgerungen:
- Wichtig ist, in zivilgesellschaftliche Infrastruktur zu investieren und soziale Orte zu fördern.
- Die Aktivierung der demokratischen Zivilgesellschaft ist Beziehungsarbeit und muss langfristig und auf Dauer angelegt sein, um Vertrauen wieder aufzubauen.
- Was funktioniert, sind Schlüsselpersonen, die vor Ort anerkannt sind und Türen öffnen.
- In den ländlichen Räumen ist die Engagementquote oft sehr hoch mit starken Vereinsstrukturen. Ein Problem ist die Nachwuchsgewinnung.
In der anschließenden Auftaktdiskussion wurden die Herausforderungen und Zukunftsperspektiven der Zivilgesellschaft aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet mit
- Andreas Brohm, Bürgermeister Tangerhütte
- Andreas Willisch, Thünen-Institut für Regionalentwicklung
- Heiko Bansen, Vorstand Bundesarbeitsgemeinschaft der LEADER-Aktionsgruppen und
- Mats-Milan Müller, Wirtschaftsjunioren Altmark
Mats-Milan Müller betonte, dass Unternehmen wichtige soziale Orte sind, in der demokratische Werte vermittelt werden können. Aus seiner Sicht sollten Unternehmen stärker ins Gespräch geholt werden. Die Unternehmen sind über die Wirtschaftsjunioren regional sehr gut vernetzt. Von Seiten des Bundesnetzwerkes Bürgerschaftliches Engagement (BBE) betonte Dr. Lilian Schwalb ihr Interesse am Austausch mit dem Unternehmernetzwerk und an gemeinsamem Gesprächsformaten.
Was hilft? Einblicke, Erfahrungen und Herausforderungen aus der Praxis
Im zweiten Teil des Forums wurde in parallelen Sessions zu Erfahrungen und Herausforderungen aus der Praxis gearbeitet:
- Session I: Erfahrungen aus dem Förderprogramm für Soziale Orte in Sachsen mit Juliane Döschner, Wandelwerft GmbH in Erfurt, Ergebnisse der Evaluation des Programms
- Session II: Neulandgewinnen: Demokratie braucht Aktive, Orte und Netze mit Tine Luge (Moderation, Programmbüro Neulandgewinner), und Anja Rohrdiek, Neulandgewinnerin
- Session III: Zukunftswege Ost in der Altmark: Es geht nur gemeinsam! mit Olaf Ebert (Stiftung Bürger für Bürger) und Marion Zosel-Mohr (Freiwilligen-Agentur Altmark)
In der Session I stellte Juliane Döschner, Wandelwerft in Erfurt, die Ergebnisse der Evaluation des Programms vor. Der Freistaat Sachsen hat ein sehr erfolgreiches Landesförderprogramm mit den zwei Schwerpunkten 1) soziale Orten und 2) Orte der Demokratie aufgelegt. Aus der Evaluation ergab sich, dass die Frage der Verstetigung der Projekte auch nach dem Ende des Landesprogramms von Anfang an mitgedacht werden sollte. Eine externe Begleitung der Projekte zu diesem Thema wäre sinnvoll.
In der Session II berichteten Tine Luge (Moderation, Programmbüro Neulandgewinner), und Anja Rohrdiek, Neulandgewinnerin, über Erfahrungen aus dem Programm Neulandgewinner. Häufig sind es starke Persönlichkeiten, die die Zivilgesellschaft vor Ort tragen. Es gibt einen großen Bedarf an sozialen Orten, an denen sich Menschen treffen können und Zusammenhalt entsteht. Die Frage, ob soziale Orte die Demokratie stärken, ist nicht einfach zu beantworten. Auf jeden Fall eher im Ergebnis einer längerfristigen Entwicklung. Mittelfristig können aktive soziale Orte dazu beitragen, dass mehr Menschen bereit sind, sich kommunalpolitisch zu engagieren.
In der Session IIIstellte Olaf Ebert, Stiftung Bürger für Bürger, die Gemeinschaftsinitiative Zukunftswege Ost vor und Marion Zosel-Mohr, Freiwilligen-Agentur Agentur Altmark e.V., informierte über die vielfältigen Initiativen in der Altmark wie das sehr erfolgreiche Projekt „Kleine Markthalle“. Auf die Frage, welchen Mehrwert eine Fokusregion über Zukunftswege Ost in der Altmark bringen würde wurden folgende Aspekte hervorgehoben:
- Die Möglichkeit sektorübergreifende Kooperationsnetzwerke zwischen Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik aufzubauen.
- Die beiden Altmarkkreise miteinander zu verbinden.
- Neue Menschen für demokratisches Engagement zu aktivieren.
- Andere Milieus in das Engagement einzubinden wie junge Menschen oder Menschen mit Migrationshintergrund.
- Mehr Rückhalt für Engagement zu schaffen.
Bei einer Dialogrunde zum Thema „Zusammenhalt braucht Begegnung“ am Abend diskutierten:
- Axel Kleefeldt, stellvertretender Oberbürgermeister Stendal
- Dr. Lilian Schwalb, Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement und
- Dr. Rainald Manthe, Soziologe und Publizist
Sie tauschten sich zu dem Thema aus, wie wir wieder mehr Orte für Begegnung und Dialog ermöglichen können. Um möglichst viele Menschen zu erreichen, bieten sich dafür sogenannte „Sowieso-Orte“ an, also Orte, an denen die Menschen ohnehin vorbeikommen.
Land in Sicht?! Zukunftsperspektiven für die Demokratie in Ostdeutschland
Der zweite Tag begann mit einer Podiumsdiskussion, moderiert von Dr. Lilian Schwalb, mit
- Angela Papenburg, GP Günter Papenburg AG
- Franziska Kersten, MdB der SPD-BT-Fraktion
- Thomas Weise, Vorsitzender Stadtrat Stendal der CDU-Fraktion
- Olaf Ebert, Stiftung Bürger für Bürger / Zukunftswege Ost
- Tobias Kremkau, Vorstandsbeirat Bündnisgrüner Osten

Podiumsdiskussion: Thomas Weise, Tobias Kremkau, Olaf Ebert, Dr. Lilian Schwalb, Franziska Kersten MdB, Angela Papenburg (v.l.n.r.)
Gefragt zur Situation in Stendal betonte Thomas Weise, dass die die Gesellschaft in Ostdeutschland durch Strukturbrüche geprägt ist und wir nicht auf Engagement aufbauen können, das über Generationen gewachsen ist. Deshalb kommt es jetzt darauf an, die Menschen abzuholen und einzubeziehen.
Angela Papenburg schilderte die Möglichkeiten von Unternehmen die Zivilgesellschaft zu unterstützen. Die Unternehmensstruktur in Ostdeutschland ist überwiegend kleinteilig und die finanziellen Möglichkeiten begrenzt. Trotzdem ist das Engagement der Unternehmen in Sachsen-Anhalt groß. Auch kleine Unternehmen können Verantwortung übernehmen und sich engagieren.
Olaf Ebert erklärte, dass vor Ort finanzielle Ressourcen benötigt werden. Hier setzt die Gemeinschaftsinitiative Zukunftswegs Ost an, die private Mittel für die demokratische Zivilgesellschaft in Ostdeutschland bündelt und zur Verfügung stellt. Damit werden vor allem Projekte für Dialog und Begegnung gefördert. Auch das Potenzial von Rückkehrern und jungen Menschen im Engagement wurde angesprochen.
Ebert wies auf Programme wie den Gen Ost JugendFonds hin, über den jugendliches Engagement gefördert wird und junge Menschen in der Jury selbst über die Vergabe der Förderung entscheiden. Auf diese Weise wir die Erfahrung von Selbstwirksamkeit möglich. Es gibt viele solche Angebote, die es zu verstärken gilt.
Fazit
Das Forum Bürgergesellschaft zeigte, dass demokratisches Engagement in Ostdeutschland trotz struktureller Herausforderungen auf vielfältigen zivilgesellschaftlichen Strukturen aufbaut. Praxisbeispiele aus verschiedenen Regionen unterstrichen, wie wichtig Kooperationen zwischen Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft sowie verlässliche Ressourcen für nachhaltige Projekte sind. Insgesamt bestätigte das Forum, dass Zukunftsperspektiven für die Demokratie in Ostdeutschland dort entstehen, wo Dialog, Begegnung und gemeinsames Handeln gestärkt werden.
Das Forum Bürgergesellschaft war eine Kooperationsveranstaltung der Stiftung Bürger für Bürger, des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement (BBE) und der Heinrich-Böll-Stiftung. Wir danken allen Mitveranstaltern und Alexander Thamm für die gelungene Moderation!
Das Forum Bürgergsellschaft 2025 wurde unterstützt von der Bertelsmann Stiftung und gefördert durch die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt.
Text: Kathrin Weiß
Fotos: Gabriele Rehberg | Fotoatalier Gabriele








