16 Tage im Zeichen der Demokratie – Unsere Aktivitäten während der EinheitsEXPO in Halle (Saale)

07. Oktober 2021

Die zentralen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit fanden dieses Jahr in Halle (Saale) statt. Die Stiftung Bürger für Bürger beteiligte sich gemeinsam mit vielen zivilgesellschaftlichen Akteur:innen mit einem vielfältigen Programm zur EinheitsEXPO vom 18. September bis 3. Oktober 2021.

Stand vor dem Beratungsladen

„Demokratie ist nicht einfach da. Sondern wir müssen immer wieder für sie miteinander arbeiten, jeden Tag.“ Mit diesen Worten rief Bundeskanzlerin Angela Merkel in Ihrer Rede zum Tag der Deutschen Einheit in Halle zum aktiven Einsatz für Demokratie auf.

Ganz in diesem Sinne haben wir mit Akteur:innen der Halleschen Zivilgesellschaft ein vielfältiges Programm zur EinheitsEXPO mit dem Titel „Engagiert für Demokratie – Zukunft der Deutschen Einheit“ organisiert. Unser Ziel war es, damit das offizielle Programm um eine zivilgesellschaftliche Perspektive zu ergänzen und dabei den Fokus auf das Engagement der Bürger:innen für Demokratie, Vielfalt und Zusammenhalt zwischen 1989 und heute zu legen.

Eröffnung der EinheitsEXPO

In den 16 Tagen der Großraumausstellung haben wir zusammen mit dem Landesnetzwerk der Migrantenorganisationen, der Freiwilligen-Agentur Halle, dem Friedenskreis Halle, dem Verband der Migrantenorganisationen Halle, der Hallianz für Vielfalt und dem Evangelischem Kirchkreis Halle-Saalkreis zehn sehr unterschiedliche Veranstaltungen organisiert, die Gelegenheit boten, miteinander ins Gespräch zu kommen und darüber zu diskutieren, wie die Zukunft der Deutschen Einheit gestaltet werden kann. Das Programm wurde unterstützt von der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt.

Eröffnung am 18. September –  Gemeinsam zu Orten der Demokratie unterwegs

Den Auftakt machte am 18. September die zivilgesellschaftliche Eröffnungsfeier der EinheitsEXPO. Trotz regnerischem Wetter waren rund 30 Personen vor dem Beratungsladen der Freiwilligenagentur zusammengekommen. Und auch Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff stattete uns auf seiner Tour durch die Stadt einen Besuch ab. Die Gäste Dr. Karamba Diaby (MdB) und Thomas Heppener, Programmleiter von „Demokratie leben!“ im Bundesfamilienministerium, betonten, dass Demokratie kein Selbstläufer ist, sondern wir als Zivilgesellschaft uns kontinuierlich für sie einsetzen müssen.

Auf Hallianz-Demokratietour

Gemeinsam starteten wir dann in eine eigens für die EinheitsEXPO entwickelte Sonderedition der Demokratietouren der Hallianz für Vielfalt. Romy Höhne , die die Tour für die App ActionBound entwickelt hatte, führte uns zu relevanten Orten der Demokratie in Halle. Über den Jerusalemer Platz, wo die historische Synagoge Halles 1939 niederbrannte, ging es zum Hallmarkt. Dort erwartete uns am Ausstellungsraum der Bundesregierung eine Premiere. Die Filme, die das Bundespresseamt eigens für die EinheitsEXPO über Demokratieprojekte aus Halle erstellt hatte, wurden hier zum ersten Mal vor Publikum gezeigt. Mit dabei auch ein Film zu unserem Projekt JUGENDSTIL*.

 

 

Am Haus der Reformbewegung übernahm Christof Starke, Geschäftsführer des Friedenskreis Halle, und nahm uns mit auf einen Zeitgeschichtlichen Stadtrundgang zu verschiedenen Orten des Engagements für Demokratie, Frieden und Vielfalt. Die Tour führte uns über die Marktkirche, Ort für Friedensgebete 1989, den Marktplatz, Schauplatz der Montagsdemonstrationen, zurück zum Leipziger Turm. Dort hatte LAMSA e.V. eine interkulturelle Kaffeetafel aufgebaut. Hier konnte man bei einem Stück Kuchen z.B. über migrantische und nicht-migrantische Erfahrungen mit der Wende ins Gespräch kommen.

Zukunft der Deutschen Einheit – Spannende Diskussionen am 3. Oktober

Publikum in den Salt Labs

Am Tag der deutschen Einheit selbst luden wir gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der Allianz für Zusammenhalt zu zwei Dialogveranstaltungen in die Salt Labs ein. Der Film „Wir 80 Millionen – Was Deutschland vereint“ präsentiert Ergebnisse der Studie „30 Jahre Deutsche Einheit. Gesellschaftlicher Zusammenhalt im geeinten Deutschland“ (Auftraggeber: Bertelsmann Stiftung) und lässt Teilnehmende der Studie zu Wort kommen. Es zeigte sich: Zwar gibt es noch nennenswerte Unterschiede zwischen Ost und West, etwa mit Blick auf die sozio-ökonomische Lage, Renten und die Dominanz westlicher Eliten. Doch viele Wertvorstellungen teilen Menschen in Deutschland unabhängig davon, wo sie leben.

Diskussion des Films

„Wie können wir in Zukunft respektvoll zusammen leben mit allen über 80 Millionen Menschen im vereinten Deutschland?“ eröffnete Dr. Kai Unzicker (Bertelsmann Stiftung) die anschließende Diskussion zum Film mit Filmemacher Lutz Hofmann und Wissenschaftlerin Jana Faus, die die Studie begleitet hatte. Mit dem Publikum fanden sie darauf einige Antworten: Wir müssen uns von Defizit‑Erzählungen über „den Osten“ wegbewegen. Stattdessen braucht es neue, inklusive Erzählungen von einem geeinten Deutschland. Nicht nur die Anerkennung von Lebensleistungen der ehemaligen DDR-Bürger:innen sei wichtig, sondern auch mehr politische Mitsprache von Menschen aus den ostdeutschen Bundesländern. Vor pauschalisierenden Aussagen über den „weißen Osten“, „die Ossis“ und „die Wessis“ warnten die Diskutierenden, denn solche Verallgemeinerung homogenisieren die eigentlich vielfältigen Lebenslagen im Osten wie im Westen.

Gelegenheit, diese Ideen zu vertiefen, bot die anschließende Podiumsdiskussion zur Zukunft der deutschen Einheit mit Susi Möbbeck (Staatssekretärin im Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration des Landes Sachsen Anhalt), Prof. Dr. Roland Roth (Politikwissenschaftler) und Katharina Warda (Soziologin). Letztere erklärte: Schon die Idee „bürgerschaftlichen Engagements“ sei westdeutsch geprägt. Auch in der DDR und im Osten der 1990er-Jahre habe es bereits Engagement gegeben, es sah nur nicht so „bürgerlich“ aus. Doch Parteien und Vereine, so Roland Roth, seien im Osten lokal weniger verankert. Auch politische Mitsprachemöglichkeiten werden in den ostdeutschen Bundesländern laut Deutschland-Monitor schlechter eingeschätzt als in den westdeutschen Ländern. Susi Möbbeck betonte: „Die Menschen müssen Selbstwirksamkeitserfahrungen im demokratischen Prozess machen“. Bei Demokratieförderung, so die Staatssekretärin, dürfe es daher nicht mehr nur um Rechtsextremismus-Prävention gehen, sondern darum, dass sich mehr Menschen aktiv beteiligen und Gehör finden.

Fazit unserer Veranstaltungen: Es ist Aufgabe der Zivilgesellschaft, gesellschaftliche Einheit in Vielfalt mitzugestalten.

 

Text: Sophie Leins und Judith Höllmann

Fotos: Paulin Amler und Igor Matviyets