Ukrainehilfe Salzlandkreis

Egeln

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Kurzinfo

Standort:
Egeln, Salzlandkreis

Ansprechpartnerin:
Nicole Gallinat
Ev. Kirchenkreis Egeln
Netzwerkstelle
„Stark für Ehrenamt und interkulturelles Miteinander“

Kontakt:
Stadtkirchhof 2
39435 Egeln
E-Mail: nicole.gallinat@kk-egeln.de
Handy: 0171 952171

Autorin:
Sophie Kolbinger
Kontakt:
ukrainehilfe@buerger-fuer-buerger.de
Fotos:
Uschi Priegnitz, Jana Weinreis, weitere Engagierte

Mit Herz für die Ukraine

Ehrenamtliches Engagement bedeutet nicht immer Vereinsarbeit, Mitgliederversammlungen, und jahrelange Strukturen, auf die man aufbauen kann. Manchmal bedeutet es einfach, dass sich eine kleine Gruppe von Menschen zusammenfindet und anderen Menschen hilft.

Uschi Priegnitz und Jana Weinreis kommen aus dem Salzlandkreis, genauer gesagt aus der kleinen Stadt Egeln, wo sie gemeinsam mit einer kleinen Gruppe an Leuten eine Art Rundumbetreuung für Geflüchtete aus der Ukraine aufgebaut haben. Es werden Anträge bearbeitet, die es meist nur auf Deutsch gibt, Arzttermine vereinbart, Möbel gekauft und Wohnungen eingerichtet, es wird zu Terminen bei Behörden gefahren und beim Deutschlernen geholfen. All das für 65 Geflüchtete, geleistet von einer Gruppe bestehend aus weniger als zehn Leuten.

Der Weg zum freiwilligen Engagement

Im Mittelpunkt steht ein gemeinsamer Treffpunkt für Ukrainer:innen und Ehrenamtliche aus Egeln. Hier haben sich Uschi Priegnitz und Jana Weinreis kennengelernt und daraus ist eine Initiative entstanden, die bis heute aktiv ist. Die anderen Freiwilligen haben eine Whatsapp-Gruppe gegründet, um sich auszutauschen und abzusprechen.

Bei Jana Weinreis ist das Interesse entstanden, als sie von einer Bekannten gehört hatte, dass diese sich engagieren wolle. Kurzerhand ist sie mitgefahren, um Möbel für eine Wohnung auszusuchen. Danach sei sie einfach von einem Thema zum nächsten gekommen. Plötzlich werden abends auf der Couch Möbel bei ebay Kleinanzeigen gesucht und am nächsten Tag abgeholt, Einrichtungslisten vom Amt in Möbelhäusern abgearbeitet und Arzttermine ausgemacht, die nicht die eigenen sind. Uschi Priegnitz hingegen traf zufällig eine junge ukrainische Mutter, die nach einem Spielplatz für ihre Kinder fragte. Beide kamen ins Gespräch und tauschten Handynummern aus – sollte die Frau einmal Hilfe brauchen, könne sie sich melden. Am nächsten Tag sei eine Nachricht gekommen. Sie fühlten sich benachteiligt – weil sie die Sprache nicht können. Kurzerhand hat Uschi Priegnitz Bilder aus Magazinen ausgeschnitten, die deutsche Bezeichnung daneben geschrieben und eine Woche lang jeden zweiten Tag mit der Familie umgangsprachliches Deutsch gelernt. Es dauerte nicht lange, bis sich das herumgesprochen hatte und nach einer Anfrage der Verwaltung, ob sie das nicht auch für andere anbieten könne, waren in ihrer „Deutschklasse” 15-20 Schüler:innen. Die Räumlichkeiten hatte die evangelische Kirche zur Verfügung gestellt. Sie meinte außerdem, sie habe versucht, sich in die Situation der Menschen hineinzuversetzen und bedauert gleichzeitig, dass zu wenig Leute dazu bereit wären. Wie würde es Ihnen denn gehen, wenn sie in der Situation sind, in einem fremden Land, in dem sie die Sprache nicht sprechen, in dem es eine Hochbürokratie gibt, aber sehr niedrige Technik – in der Ukraine kann man alles per Internet machen.”, erklärte sie.

Bürokratische Hürden und der Mangel an Mobilität

Der Alltag der Ukrainer:innen stellte das Team vor zahlreiche praktische Herausforderungen. Zum Beispiel müssen regelmäßig Termine in der Kreisstadt Bernburg wahrgenommen werden. Es gibt im Salzlandkreis aber keinen ÖPNV, der das abdecken könnte. Es gibt zum Beispiel keine Direktverbindungen, sodass die Ukrainer:innen zweieinhalb bis drei Stunden mit Umstieg unterwegs sind, um ihren Ausweis in Bernburg abzuholen – da ist der Rückweg noch nicht inbegriffen. Deshalb müsse sich zu manchen Uhrzeiten jemand um Fahrdienste kümmern, damit die Menschen ihre Termine wahrnehmen können. Auch Möbeltransporte müssen organisiert werden, was nur mit Hilfe von Herrn Köpke und Herrn Luckner realisiert werden konnte. Für die Bereitstellung von Tankgutscheinen als Übernahme der Fahrtkosten wurde leider immer noch keine passende Lösung gefunden.

Darüber hinaus existieren in der Ukraine wohl zwei verschiedene Personalausweise – der ukrainische Inlandspass und der biometrische Pass. Für eine Aufenthaltsgenehmigung wird der biometrische Pass benötigt. Ukrainer:innen, die diesen Ausweis nicht haben, müssen ihn in Berlin bei der Ausländerbehörde beantragen. Die Erfahrung der letzten Monate hat jedoch gezeigt, dass es kaum möglich ist, dort einen Termin zu bekommen. Stattdessen könnten sie einen Reiseausweis beantragen, mit dem sie bei der Botschaft eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten können. Diese Informationen hatte das Team von Ehrenamtlichen aber nicht von Anfang an und so zogen sich die Prozesse um das Erlangen einer Aufenthaltsgenehmigung immer weiter in die Länge und sind immer noch nicht abgeschlossen. Mindestens einmal im Monat unterstützt auch Frau Bürger vom Internationalen Bund die Menschen vor Ort bei bürokratischen Angelegenheiten.

Große Unterstützung – eine hauptamtliche Netzwerkstelle leistet Hilfe für die Ehrenamtlichen

Eine zuverlässige Stütze für ihre Arbeit fanden sie in Nicole Gallinat, Koordinatorin im Salzlandkreis in der Netzwerkstelle für Integration des Kirchenkreis Egeln. Sie steht als Ansprechpartnerin zur Verfügung, macht Verweisberatungen für Ehrenamtliche und berät über finanzielle Fördermöglichkeiten von Ehrenamtsprojekten. Im Rahmen ihrer Arbeit hat sie beobachtet, wo sich Helfergruppen für ukrainische Geflüchtete finden, um diesen später ihre Unterstützung anbieten zu können. Auch sie erzählt am Telefon vom ehrenamtlichen Engagement der Egelner. „Sie nehmen dem Landkreis viel Arbeit ab.”, stellt sie fest. Es sei besonders bemerkenswert, wenn die Leute trotz aller Herausforderungen am Ball bleiben. Dabei macht sie auch deutlich, dass es in Egeln bereits zwei ehrenamtliche Sozial- bzw. Integrationslots:innen gibt, wobei eine Person für die Ukrainer:innen zuständig ist. Die Lots:innenerhalten für ihre ehrenamtliche Arbeit eine Aufwandsentschädigung aus der Integrationslotsenrichtlinie des Land Sachsen-Anhalt – deren Mittel sind aber begrenzt. Die kleine Gruppe in Egeln erhält dies nicht, obwohl sie faktisch die gleiche Arbeit machen. Sie würde sich wünschen, dass die Politik zumindest die Netzwerkstellen so ausstatten würde, dass sie die auftretenden Ausgaben der Freiwilligen übernehmen könnten. Der Engagementfonds bietet dafür eine Möglichkeit, ist aber auch finanziell begrenzt. Insbesondere vermisse sie auch die Anerkennungskultur – ein gemeinsamer Nachmittag mit allen Freiwilligen, um ihnen einmal die Wertschätzung zuteilwerden zu lassen, die sie verdienen, wäre zumindest ein Anfang.

Von der Mustermappe zum Sozialauto – Entlastungsmöglichkeiten für die Engagierten

Trotz all der Herausforderungen, oder vielleicht gerade deswegen, ist zwischen den Ehrenamtlichen und den Menschen aus der Ukraine ein enges Band entstanden. Sie konnten ihre Entwicklung miterleben, sei es beim Deutschlernen oder bei jedem kleinen Schritt zur Selbständigkeit und dem Rückgewinn ihrer Unabhängigkeit. Jana Weinreis erzählt dazu, wie stolz sie darauf sei, dass alle ihre Gelder bekommen, dass sie Fortschritte machten, sich eingelebt haben und dass sie selbständiger werden – und sei es nur bei der Schulessensbestellung für die Kinder. „Ich bin wirklich stolz auf meine Deutschleute,”, erzählt Uschi Priegnitz, “[…] die diesen Weg gegangen sind und jetzt wirklich mit Freude zur Schule gehen, um freiwillig den Integrationskurs in Magdeburg und Staßfurt zu absolvieren.”.

Die kleine Gruppe an Ehrenamtlichen kennt sich nach monatelanger Arbeit bestens in der Materie aus, deshalb wissen sie auch, was ihre Arbeit wesentlich erleichtert hätte. Grundsätzlich hätten sie sich noch mehr Engagement der Stadt gewünscht. Dazu zählt auch eine Mustermappe für Anträge, damit sie sich nicht überall die fehlenden Informationen und Dokumente hätten zusammensuchen müssen. Auch Informationsflyer in Egeln für die Geflüchteten wären eine große Hilfe gewesen, um sie über die wichtigsten Dinge zu informieren. Vielen Geflüchteten ist zum Beispiel nicht klar, ob sie durch einen Nebenjob ihren Anspruch auf Leistung vom Amt verlieren, wenn sie den Job wieder aufgeben. Die Angst davor sei groß und hat viele Geflüchtete gehemmt. „Das ist einfach schade,”, erzählt Jana Weinreis, „weil sie so auch in den sozialen Prozess gekommen wären, Sozialkontakte gefunden hätten, und sie hätten ihr Deutsch verbessern können”. Hier wäre eine konkrete Aufklärung durch die Ämter hilfreich gewesen. Durch die Arbeit mit Geflüchteten hat sich außerdem ein besonderer Bedarf an besserer Mobilität gezeigt. Weil das natürlich nicht nur Menschen betrifft, die geflüchtet sind, wäre ein Sozialauto für alle Menschen vor Ort, die nicht ihre Behörden- oder Arztterminen wahrnehmen können, ein großer Gewinn.

Ein Traum von Uschi Priegnitz und Jana Weinreis ist zudem, eine gemütliche Begegnungsstätte für alle Bürger:innen in der Egelner Mulde zu schaffen, in der man zusammenkommen kann und sich wohl fühlt. Leider gestaltet sich die Suche nach einer geeigneten Räumlichkeit und die Finanzierung sehr schwierig.

Ehrenamt klingt ihnen zu hochtrabend

Von den Ukrainer:innen erhalten die Helfer:innen sehr viel Dank, weil sie vieles ohne ihre Hilfe nicht geschafft hätten. Jana Weinreis erklärt: „Das ganze Engagement hat sich einfach, glauben wir, für alle ehrenamtlichen Helfer so ergeben, weil man immer ein offenes Ohr hat.“  Als „Ehrenamt” wollen beide ihr Engagement allerdings nicht bezeichnen, der Begriff scheint ihnen zu hochtrabend zu sein. Uschi Priegnitz bringt es so auf den Punkt: „Ich finde einfach, man muss helfen. Fertig.“